Warum ein reguliertes Nervensystem der Schlüssel zu erfüllender Sexualität ist?
- Yuliya Grechukhina
- 9. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Sexualität ist viel mehr als ein körperlicher Akt. Sie ist zwischenmenschliche Begegnung oder Begegnung mit sich selbst. Sie ist Nähe, Spiel, Energie und die Möglichkeit, sich selbst und andere ganzheitlich zu erfahren. Wenn wir uns sicher, verkörpert und präsent fühlen, kann Sexualität zu einer Quelle von Kraft und Lebensfreude werden.
Doch was wenn sie das nicht ist? Viele Menschen erleben etwas anderes: Stress im Alltag, alte Verletzungen imm Intimen oder Schamgefühle wirken wie unsichtbare Blockaden, die wir mit ins Bett nehmen. Statt Leichtigkeit und Lust stellen sich Druck, Anspannung, Performancezwang oder sogar körperliche Schmerzen ein. Oft liegt das nicht daran, dass „etwas nicht stimmt“, sondern daran, dass unser Nervensystem im Alarmzustand verharrt oder uns vor etwas Altem bedrohlichem warnt, was im Hier und Jetzt mit deiner Partnerperson nicht da ist.
Stell dir dein Nervensystem wie einen See vor:
Ist er ruhig, trägt es dich sanft, wie ganz von alleine ohne jegliche Mühe – du kannst dich hingeben, genießen und vertrauen.
Gerät er in Sturm, gerätst auch du ins Ungleichgewicht, kämpfst ums Überleben, auch wenn keine reale Gefahr da ist, auch wenn kein Kämpfen nötig ist.
Warum Nervensystem und Körperarbeit so wichtig sind
Unser sexuelles Erleben und Interagieren ist zutiefst somatisch – es zeigt sich im Puls, im Atem oder in der Hautempfindung. Nur wenn wir in guter Verbindung zu unserem Körper sind, können wir erstens wahrnehmen, zweitens unterscheiden und drittens (am wichtigsten!) unserem Gegenüber kommunizieren, was uns Lust bereitet und wo unsere Grenzen liegen.
Ein reguliertes Nervensystem schenkt uns die Fähigkeit, zwischen Anspannung und Entspannung zu wechseln – und genau das brauchen wir für Erregung und Genuss.
Sexualität beginnt also nicht erst im Schlafzimmer, sondern in der Art, wie wir im Alltag mit uns selbst verbunden sind und damit, mit welcher Energie wir den sexuellen Raum betreten.
Kleine Übungen für deinen Alltag
1. Atem als Anker nutzen
Setz dich bequem hin mit der Klarheit paar Minuten bewusst für dich zu nehmen. Leg eine Hand auf dein Herz und die andere auf den Bauch. Atme bewusst tief ein und aus. Spüre, wie der Atem deinen Körper bewegt und welche Körperteil von ihm unerreicht bleiben? Erkunde deinen Atemrhytmus und dein Atemmuster offen und neugierig ohne ihn zu bewerten.
Diese Übung beruhigt das Nervensystem enorm und bringt dich ins Hier und Jetzt – und sie legt eine gute Grundlage für Nähe und Intimität. Ihr könnt auch ein schönes Auftaktritual für eure intime Zeit daraus machen und euch zusammen mit paar bewussten Atemzügen darauf eintunen.
2. Sinneswahrnehmung schärfen
Nimm dir zwei Minuten, um dich auf deine Sinne zu konzentrieren und sie zu erkunden: Welche Geräusche hörst du um dich herum? Welche Düfte nimmst du wahr? Sind sie angenehm oder nicht? Welche Temperatur spürst du auf der Haut? Welche Hautstellen sind kühler und welche strahlend mehr Wärme aus? Je mehr du deine Sinne schulst, desto leichter fällt es dir, auch in sexuellen Momenten präsent und verkörpert zu bleiben und zu unterscheiden, was dir gefällt und was nicht.
Selbstberührung praktizieren
Streiche sanft über deinen Arm und reflektiere: welche Geschwindigkeit der Berührung ist gerade am esten für dich? Wie stark darf der Druck dabei sein?
Massiere kurz deinen Nacken: wo spürst du eine Ent- und wo eine Anspannung?
Oder leg deine Hand auf den Bauch: wie fühlt sich dieser Kontakt mic dir selbst an? Erinnert er dich an etwas?
Kleine Akte von Körperarbeit, für die du im Alltag nur wenige Minuten brauchst, helfen, Sicherheit im eigenen Körper aufzubauen – ein entscheidender Schritt, um Lust authentisch zu erleben und zuzulassen. So lernst du nicht nur deinem Körper besser zuzuhören, sondern auch dem deines Sexualpartners.
Eine erfüllende Sexualität entsteht dort, wo Kopf, Körper und Herz in Einklang sein können. Ein reguliertes Nervensystem, einfache somatische Übungen und ein ganzheitlicher Blick auf unser sexuelles Erleben öffnen den Raum für Authentizität, Vertrauen und Freude und vor allem Genuss. Denn in erster Linie geht es bei der Sexualität im Genießen!
Meine Einladung an dich lautet: Erkunde deine Sexualität nicht nur im Denken oder orientiert an gesellschaftlichen Bildern oder Erwartungen, sondern verkörpert – im Atem, in der Bewegung, in der Berührung - mit all deinen Sinnen. Denn genau hier liegt der Schlüssel, Lust nicht nur zu suchen, sondern zu spüren.
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